Cartagena – die verschlossene Schöne

Cartagena – die verschlossene Schöne

Seit mindestens 20 Jahren wollte ich nach Cartagena – wahrscheinlich seit ich die ersten Bücher von García Márquez gelesen habe. Jetzt sind wir dort. Und es ist schön, wunderschön sogar … objektiv gesehen; aber irgendwie berührt es mich nicht. Vielleicht liegt es an der übersteigerten Erwartung oder an einem gewissen Sättigungsgrad, nachdem wir nun schon so viel Schönes und Beeindruckendes gesehen und erlebt haben.

Die Altstadt ist ein Wunder an harmonischer Kolonialarchitektur aus dem 17. und 18. Jahrhudert;  hinter jedem der mächtigen Holzportale scheint sich ein kleines Schatzkästchen zu öffnen, begrünte Innenhöfe, geschmackvolle Lobbies von Boutique-Hotels etc. Alles sehr gepflegt oder mit einem Hauch von Patina, ganz stilvoll versteht sich. Und natürlich unglaublich touristisch. Wir sind immer noch in der Hauptsaison für kolumbianischen Tourismus; dazu kommen viele internationale Reisende so wie wir und on top: die Massen, die sich aus den Kreuzfahrtschiffen über die Stadt ergießen.

So lassen wir uns von den Mengen durch die Straßen und Gassen treiben, am ersten Tag noch mit den Jungs, die uns über Weihnachten und Neujahr besucht haben. Diese sind eher fasziniert von der Skyline des modernen Cartagena und einem nahegelegenen wunderschönen Strand, den wir per Bootsausflug erreichen – hier zeigt sich Cartagena von der karibischen Seite.

Nach der Abreise der Jungs lassen wir uns weitere fünf Tage durch die Stadt treiben, deren wechselvolle Geschichte im Unabhängigkeitskrieg ihr den Beinamen „La Heroica – die Heldenhafte“ verschafft hat. Wir wandeln auf der geschlossenen Stadtmauer sowie auf den Spuren von Simon Bolívar und García Márquez. Letzterer liegt hier in Cartagena begraben und keiner in dieser Stadt scheint es zu wissen – obwohl man hier ansonsten sehr stolz ist auf den berühmten Sohn der kolumbianischen Karibikküste.  Wir sind durch einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung darauf gestoßen und haben in detektivischer Suche schließlich das Grabmal im Innenhof eines ehemaligen Klosters entdeckt – gut getarnt durch eine Gedenktafel, die va. die Honoratioren der Stadt würdigt. Den Namen des Literatur-Nobelpreisträgers findet man hier nur im Kleingedruckten. Es lebe die Eitelkeit!

Nach über einer Woche verabschieden wir uns aus Cartagena mit Sympathie aber ohne Wehmut und ziehen weiter an den legendären Rio Magdalena…

There is 1 comment for this article
  1. Rolf Oswald at 8:18 am

    Danke für die gelungene Visualisierung des Alltagslebens von cartagena. Besonderen Glückwunsch zu einzelnen Bilder (z.B. siebte Reihe).: Nie wurde die weitverbreitete Meinung, moderne Kunst habe nichts mit der heutigen Realität zu tun, habe sich abgesetzt in eine Kunstwelt, so widerlegt wie durch euer Foto, und die Hüte mit Hintergrund: vortrefflich.

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