Begegnungen: Sonia

Begegnungen: Sonia

Hallo Ihr, woher kommt Ihr? Ich kann Euch beim Übersetzen helfen, denn hier in Mariwan gibt es ja nicht viele Leute, die Englisch sprechen. Soll ich Euch noch ein bisschen die Stadt zeigen, ich habe Zeit. Eigentlich will ich mich auch ein bisschen ablenken, denn ich habe gerade dieses Verlobungs-Problem. Meine Eltern haben mir vor vier Wochen einen Mann vorgestellt und sie wünschen sich, dass ich ihn heirate. Gestern haben wir die Verlobungsringe ausgesucht und morgen kommt seine Familie, um offiziell um meine Hand anzuhalten. Ich bin mir aber noch nicht sicher…. Ich bin doch erst 20 und fühle mich eigentlich noch zu jung. Außerdem hat mir Mohammed, so heißt er, auf den ersten Blick gar nicht gefallen; aber inzwischen haben wir ein paar Mal miteinander gesprochen und ich glaube, er ist doch ganz nett. Theoretisch kann ich morgen auch noch „Nein“ sagen, aber das wäre dann ein ziemliches Problem für mich und meine Eltern. Auf jeden Fall muss ich noch mit ihm aushandeln, dass ich mein Jura-Studium fortsetzen darf und auch allein rausgehen kann, um Beispiel, wenn ich später mal arbeite. Das wollte er erst nämlich nicht. Aber da sind meine Eltern und sogar seine Eltern auf meiner Seite; deshalb wird er wohl nachgeben.

Für Mädchen ist es echt schwer hier im Iran, wir dürfen so vieles nicht, was für Jungs selbstverständlich ist. In unserem schönen See hier baden, abends rausgehen, uns mit Freunden treffen. Denn als Mädchen kannst Du Dir hier schnell Dein ganzes Leben ruinieren, wenn Du einen schlechten Ruf hast. Für Jungs gilt das nicht, die können viel leichtfertiger sein und einfach nur ihren Spaß haben. Meine Eltern und meine Brüder achten schon sehr darauf, dass mir nichts passiert, denn sonst wäre es später schwierig mit dem Heiraten. Deshalb darf ich auch nach der Verlobung bis zur Hochzeit nie wirklich allein sein mit Mohammed.

Aber eigentlich habe ich ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Eltern und ich weiß auch zu schätzen, dass sie mich so schützen wollen. Aber einer meiner Brüder ist einfach zu streng. Er schimpft immer, wenn ich Make-up benutze oder man zu viel von meinem Haar unter dem Kopftuch sieht. Dabei wollen wir Mädchen uns hier doch einfach schön machen und gut aussehen. Das ist total wichtig für uns. Ich hätte schon gern mehr Freiheit undprobiere alles mögliche aus. Zum Beispiel bin ich schonmal hier im See schwimmen gegangen, natürlich mit Klamotten – oder lasse hier draussen auf dem Boot das Kopftuch einfachmal weg.

Bis vor kurzem habe ich ab und zu als Moderatorin gearbeitet und war öfters im iranischen Fernsehen zu sehen, also ganz legal mit Schleier und allem drum und dran. Aber das haben meine Eltern und v.a. mein Bruder mir jetzt verboten. Sie wollten nicht, dass mich so viele Menschen im Fernsehen ansehen können. Schade, das hat mir großen Spaß gemacht. Jetzt muss ich die Angebote immer ablehnen.

Einen Tag später:

Ich habe tatsächlich „Ja“ gesagt! Schau, das ist mein Verlobungsring. Jetzt wird es ernst. Ich bin verlobt, unglaublich oder? Ein bisschen Angst und ein paar Zweifel habe ich schon noch. Aber er hat mir versprochen, dass ich in Zukunft auch allein rausgehen kann und mein Studium fortsetzen darf.  Wir werden das auch in einem Vertrag festhalten. Schließlich werde ich mal Anwältin sein und kann meine Rechte verteidigen. Da muss er dann durch. Aber er liebt mich sehr, das ist toll und ich werde mich wohl Schritt für Schritt auch verlieben.

Drei Tage später bekommen wir eine Textnachricht von Sonia: Ich habe die Verlobung aufgelöst. Meine Eltern sind wahnsinnig sauer auf mich! Aber ich fühle mich noch zu jung zum Heiraten und ich mag ihn einfach nicht wirklich, wir sind zu verschieden. Das wird jetzt noch ganz schön schwierig für mich, aber ich bin ziemlich sicher, dass es die richtige Entscheidung ist.

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