Simon will den Cotopaxi besteigen, weil: fast 6.000 Meter hoch, der perfekte Vulkankegel mit weißer Kuppe, ein Mythos! Ich will das nicht, weil: fast 6.000 Meter hoch, der Gipfel fast immer in Wolken, oben ewiges Eis und Schnee, eine Quälerei!
Die Besteigung des Cotopaxi erfordert gute Vorbereitung, insbesondere eine Akklimatisierung an die große Höhe. Die Trainings-Touren zur Höhengewöhnung mache ich gerne mit, als erstes auf den Pichincha, den Hausvulkan von Quito. Mit seinen knapp 4.700 Metern zählt dieser hier noch zum Mittelgebirge (!). Wir machen uns also an einem frühen Morgen auf und starten direkt in der Stadt, an der Talstation der Seilbahn auf 3.000m Höhe – natürlich zu Fuß! Der Aufstieg zur Bergstation verläuft im Zick-Zack unter der Seilbahn, immer noch durch dichte Vegetation (hier wachsen Johannisbeeren!), über Kuh- und Pferdeweiden und mit grandiosen Ausblicken. Wir haben Riesenglück: der Tag ist klar und der Cotopaxi zeigt sich aus der Ferne in voller Schönheit.
Zeitgleich mit den ersten Gondeln kommen wir an der Bergstation an, auf 4.000m Höhe; hier ist es schon ganz schön frisch, wir trinken einen heißen Tee und auf geht’s zum Gipfelsturm. Zum Glück verläuft der Anstieg zunächst moderat, denn hier wird die dünne Luft schon allmählich spürbar. Bei jedem tiefen Einatmen bleibt das unbefriedigende Gefühl, die Lungen nicht ganz voll zu bekommen. Aber von Kopfschmerz, Schwindel, Übelkeit bleiben wir verschont – sind ja auch vorsorglich eine Weile in Quito herumgelaufen…
Die Wolken nehmen zu, die Vegetation wird auf den ersten Blick spärlicher, auf den zweiten aber unglaublich vielfältig und exotisch.
Der Gipfel vor uns zeigt sich schroff und felsig. Die letzten 200 Höhenmeter sind heftig: es geht steilst bergauf durch unangenehm sandig-gerölliges Gelände. Die Luft wird dünner, der Nebel dicker und eine von uns flucht gelegentlich („Warum tun wir das?“). So arbeiten wir uns langsam aber konstant nach oben; zum Schluss noch ein bisschen Felskletterei, nicht wirklich schwierig und auch nicht ausgesetzt – aber wir wundern uns doch, dass vor so einer alpinen Tour unten an der Bergstation nicht deutlicher gewarnt wird.
Den Gipfel teilen wir uns dann mit ein paar anderen Bergsteigern aus dem In- und Ausland und mit einem neugierigen Curiquinge, der wohl auf die Krümel der Gipfel-Brotzeit lauert. Zum Glück hatten wir den Fernblick schon am frühen Morgen, so dass uns die fehlende Aussicht nicht allzu sehr anficht.
Auf dem Abstieg zur Seilbahn treffen wir eine junge Spanierin, grün im Gesicht und der Ohnmacht nahe. Sie hat die Höhenkrankheit voll erwischt und jammert, es sei ihr noch nie im Leben so schlecht gegangen. Ein deutsches Pärchen (beides Ärzte) kümmert sich bereits um sie. Wir erfahren, dass die Spanierin erst am Vortag aus Barcelona nach Quito eingeflogen und dann direkt mit der Seilbahn hochgefahren ist, nun ja… Besserwisserei ist jetzt fehl am Platz, wir steuern aus unseren Vorräten noch Wasser, Kekse und Elektrolyte bei (gelobt sei Simons Notfall-Pack!).
Mit ordentlich Respekt vor der Höhenkrankheit schweben wir schließlich in der Seilbahn nach unten – und wiederholen dieselbe Tour vier Tage später gleich nochmal, damit es Simon am Cotopaxi nicht so geht wie der Spanierin.