Hier ist gerade Sonntag Morgen, wir sitzen im Auto, hören Bachs Brandenburgische Konzerte, und schrauben uns wieder dem Himmel entgegen, auf einen Pass auf 4.800 Meter Höhe. Wir haben für ein paar Tage ein Auto gemietet, um mit Maycol einen Ausflug ins Landesinnere zu machen. So sind wir am Donnerstag ganz früh in Lima am Pazifik gestartet, durch die Stein- und Sand-Wüste, die hier die ganze Küste bildet, langsam Richtung Anden, und dann innerhalb von 4 Stunden auf knapp 5.000 Meter hoch gefahren, um auf der anderen Seite wieder fast ganz runter ins Amazonas-Becken abzusteigen … um auf 700 m ü. M. zu übernachten. Was für ein Ritt durch Klimazonen, Landschaftsformen und Vegetationsstufen. All das haben wir ja in den letzten Monaten schon erlebt, nun zum baldigen Abschied nochmal verdichtet auf einen Tag. Die kargen, felsigen und eisigen Höhen am Pass, die Hochebenen mit frei lebenden hübschen Vicuñas, die beginnende Zivilisation mit Bewirtschaftung an steilsten Hängen, erste Blumen, die bald in dichtes Grün übergehen um sich schließlich zur „grünen Hölle“ des wunderbaren Regenwaldes zu verdichten… und alles an einem Tag.
Die Fahrt war aber auch ein emotionales Feuerwerk an Straßen-Erlebnissen:
Donnerstag, 10:30 Uhr: Steffi fährt die steilen Serpentinen hinauf, seit Stunden vor uns vollkommen überladene und dementsprechend langsame Lastwagen. Auf einer Brücke ist die Sicht gut, kein Gegenverkehr ins Sicht, endlich eine Lücke zum Überholen … gedacht, getan, nur das Polizei-Motorrad übersehen, das hinter uns fährt, und das die durchgezogene Linie ernst nimmt… Führerschein, Auto-Papiere, Reisepass werden ausführlich gecheckt. Wir sind demütig, zerknirscht und einsichtig und dürfen nach langen Belehrungen über die Gefahr dieser Straße einfach so weiter fahren, ohne das eigentlich übliche Bestechungsgeld, das uns den bürokratisch absurden Aufwand zur Wiederbeschaffung des Führerescheines erspart hätte… wir atmen durch und loben die Rechtschaffenheit der peruanischen Polizei.
Neben uns Eisenbahn-Schienen, und tatsächlich auch Güterverkehr. Die Lokomotiven verrichten hier ihre Arbeit bis sie auf knapp 5000 Meter das höchstegelgene Eisenbahn-Kreuz der Welt passieren. Immer wieder haben wir den Eindruck, hier hat ein Modellbau-Verein mal so richtig am Rad gedreht…
Auch Donnerstag, 15:30 Uhr: Ich fahre die steilen Serpentinen herab, es hat stark geregnet, überall auf der Straße sind Steine und Schotter von kleinen Erdrutschen, dazwischen immer wieder die „liegenden Polizisten“, diese Bodenschwellen, die die Autofahrer in Ortschaften, aber auch vor gefährlichen Straßen zum Abbremsen zwingen. Das ist theoretisch gut, praktisch aber oft auch nervig, weil diese manchmal so steil sind, dass das Auto kurz von unten aufsitzt, oder manchmal ihre Farbe verloren haben und nicht durch ein Schild markiert sind, so dass sie kaum zu erkennen sind und zum plötzlichen, starken Bremsen zwingen… So auch um 15:30 Uhr. Leider sehe nur ich die Schwelle, mein Hintermann nicht … und wumms… drückt uns plötzlich ein großer Toyota mal kräftig von hinten. Der Schreck ist groß, der Schaden klein, der Fahrer sehr nett, Bürgermeister einer kleinen Gemeinde am Rand des Amazonas. Maycol regelt telefonisch alle Versicherungsfragen – und am Ende drückt uns der Bürgermeister mit Einverständnis der Versicherung einfach das Geld in die Hand und alles ist gut.
Noch immer Donnerstag, jetzt 16:30 Uhr: Wir stehen noch unter der Aufregung des glücklich verlaufenden kleinen Choques, da winkt mich die Polizei raus … ich bin ohne Licht gefahren – und das ist in Peru während des ganzen Tages Vorschrift. Wusste ich nicht. Fahrzeugpapiere, Führerschein, Reisepass werden ausführlich gecheckt … die Polizisten beraten, was zu tun sein. Normal sei eine Multa, eine Strafgebühr. Aber auch hier wieder: sie belassen es bei einer Ermahnung und wünschen uns eine gute weitere Fahrt.
Diese dauert zwei Minuten. Dann winkt mich die Polizei raus … „Papiere bitte“ … ich bekomme das Gefühl im falschen Film zu sein, die dritte Kontrolle und ein Unfall an einem Tag … Wir zeigen auf den vorigen Kontrollposten und erklären, dass wir dort bereits Freunde haben – die Polizisten lachen und wünschen uns direkt eine gute weitere Fahrt.
Das war ein Tag!
Die weiteren Tage verbringen wir mit kleinen Touren im Wald, nochmal mit viel Grün, Wasserfällen, Schmetterlingen und einem brütenden, peruanischen Nationalvogel.
Über Dörfer mit schönen Bauernmärkten führt uns unser kleiner Roadtrip bis Oxapampa, einem seltsamen Örtchen, kurz vor der Amazonas-Ebene mit viel österreichisch-deutschem Einschlag, da das Städtchen hier im 19. Jahrhundert von deutschen Siedlern gegründet wurde.
Rückfahrt am Sonntag, 10:30 Uhr: Steffi überholt mal wieder einen überladenen Laster … Doof, dass auf der Gegenspur die Polizei entgegen kommt… Die Polizisten wenden mit Blaulicht und verfolgen uns kurz… Diesmal ohne jeden Spaß, reden schon von Fahrt auf’s Präsidium. Aber Steffi kann nachweisen, dass an der Stelle, an der sie zum Überholen ansetzte keine durchgezogene Linie ist und die Straße auch gut einsichtig war. Und zum vierten Mal belassen es die Polizisten bei berechtigten Erklärungen über die Gefahren auf Perus Straßen. Und alles ohne Schmiergelder! Ein Hoch auf die hiesige Polizei, oder zumindest auf die Polizisten, die uns hier begegnet sind!