Erinnert sich jemand an die Perser aus dem Geschichtsunterricht? Die großen Gegenspieler der Griechen, Schlacht von Marathon, Schlacht von Issos…? Ich habe da vage Vorstellungen von einem jahrhundertelangen Kampf zwischen Gut und Böse mit klarer Rollenverteilung: die kultivierten Griechen gegen finstere Perser.
Gestern waren wir in Persepolis, die Überreste der Stadt, die ab 500 v.Chr. das Herz des Perserreichs bildete, und haben unsere lückenhaften und wohl auch einseitigen Geschichtskenntnisse etwas aufgefrischt.
Hier ein paar Aspekte, die uns besonders beeindruckt haben:
- Das Perserreich war zu seiner Zeit das größte der Welt und reichte vom Indus bis zur Donau und vom Nil bis zum kaspischen Meer.
- Dieses Riesenreich war bestens organisiert: es gab eine einheitliche Währung, eine verbindliche Schriftsprache, ein Netz aus gepflasterten Straßen und das wohl weltweit erste Postsystem (angeblich gelangte Post innerhalb von 15 Tagen in die entlegensten Winkel des Reiches).
- Aus 30.000 erhaltenen Schrifttafeln konnten Archäologen schließen, dass der Bau von Persepolis (anders als bei den Griechen) wohl ohne Sklavenarbeit auskam; dass alle involvierten Arbeiter bezahlt wurden und sogar eine Art Krankenversicherungsystem existierte, und Mutterschuz für Frauen! (an dieser Stelle lässt sich unsere Führerin zu der Bemerkung hinreißen, dass das ja paradiesische Zustände gewesen sein müssen im Vergleich zur Gegenwart)
- Gleichzeitig herrschte eine Kultur der Toleranz und Wertschätzung gegenüber den unterworfenen Völkern (23 an der Zahl). Diese konnten ihre jeweiligen Sprachen und Traditionen beibehalten und waren sogar eingeladen, mit ihren jeweiligen Baustilen zur Erweiterung von Persepolis beizutragen.
- Diese pluralistische Haltung kommt zum Beispiel im gigantischen „Tor aller Länder“ zum Ausdruck, dass der Perserkönig Xerxes in Persepolis errichten ließ, vielmehr aber noch in den Reliefs der Gabenbringer.
Überhaupt beeindruckt uns an Persepolis am meisten das Wechselspiel von riesenhaften, monumentalen Bauwerken (die ja nur noch bruchstückhaft vorhanden sind) und unglaublich feinen, präzisen Steinreliefs, aus denen genaue Beobachtung und wahre feinmotorische Kunstfertigkeit spricht. Überall spürt man diesen Sinn für Feinheit und Harmonie, der uns auch im gegenwärtigen Iran so fasziniert.
Man merkt unserer Führerin an, dass die Iraner sehr stolz sind auf ihre uralte, persische Identität – und die darin verwurzelte Kultur von Toleranz und Respekt – auch wenn das im Widerspruch zur derzeitigen politischen Realität steht (von der sich viele uns Gesprächspartner sehr deutlich distanzieren)
Außerdem betont sie mehrfach, dass Persepolis von Alexander dem Großen brutal niedergebrannt wurde. Dass zuvor der Perserkönig Darius Athen samt Akropolis in Schutt und Asche gelegt hat unterschlägt sie geflissentlich.
Vielleicht unterschlägt sie auch noch anderes oder stellt manches einseitig dar. Wir haben es noch nicht genau recherchiert. Und selbst wenn, wäre es ein später Ausgeich für unseren Geschichtsunterricht, in dem die Perser als finstere Wüstlinge und andere Hochkulturen des Ostens überhaupt nicht vorkamen.