Wir haben ja ein wenig aus der Türkei geschrieben, über kleine persönliche Begegnungen und unsere Istanbul-Begeisterung. Über die politische Situation haben wir nix geschrieben. Und das bewusst, weil wir eben doch eher Schisser sind als investigative Journalisten.
Viel können wir auch nicht schreiben, weil unser Türkisch leider doch praktisch immer so schlecht war wie das Englisch der Gesprächspartner, aber ein paar Eindrücke haben uns doch beschäftigt.
1) Das Auswärtige Amt schreibt in seinen Länderinformationen über die Türkei, dass es unter dem seit zwei Jahren geltenden Notstand, vermehrt zu willkürlichen Verhaftungen, auch deutscher Staatsbürger kam und kommen kann, gibt explizite Hinweise, über das Verhalten im Fall einer Verhaftung und warnt vor regierungskritischen Äußerungen im Internet und in den sozialen Medien.
Wenn man das so liest und in dem Land unterwegs ist, dann fühlt sich das doch plötzlich anders an, als wenn man es in der Tagesschau hört.
2) Ein netter, kluger, auslandserfahrener Türke, der uns beim Radkauf unterstützt meint: „Ich würde gerade nicht in die Türkei reisen. Solange Leute, die Erdogan hier verhaften will nach Deutschland fliehen und nicht ausgeliefert werden, wird er immer wieder auch hier Deutsche festnehmen lassen, praktisch als Pfand. So macht er es ja auch mit Amerikanern, die Gülen nicht ausliefern wollen. Ich hoffe ihr bekommt keine Probleme bei der Ausreise“.
3) Die Besitzerin eines wunderbaren Cafes in Istanbul, sagt: „Wir bewegen uns hier in Richtung Diktatur. Erdogan kontrolliert immer mehr, alles und jeden, das wird hier bald schlimmer als unter den Taliban. Es wird immer mehr vorgeschrieben, wie man sich zu verhalten hat. Und wirtschaftlich geht es uns immer schlechter. Die Türkische Lira verliert gerade stark an Wert. Diese massiven Infrastrukturprojekte kosten so viel Geld, der Staat ist fast pleite. Deshalb hat er auch die Wahlen vorgezogen, damit die Menschen noch nicht direkt zu spüren bekommen, wie es bergab geht.“
4) Zu Beginn bekommen wir für 1€ 5,00 TL, bei unserer Abfahrt: 5,25 TL, das ist ein Wertverfall von 5% in 10 Tagen!!! Das ist toll für uns, aber eine große Sorge für die Menschen.
5) Am Bosporus-Ufer sitzt ein junger Mann, der uns auf Deutsch anspricht. „Ich bin Schriftsteller und Kurde, deshalb kann ich hier nicht leben und bin seit ein paar Jahren in Deutschland. Auch das Reisen ist gefährlich. Ich fahre jetzt zum Flughafen und hoffe, dass es keine Probleme gibt. Die Erdogans waren eine arme Familie, der Sohn hat jetzt die größten Yachten im Land. Wie ist das möglich?“
6) In der kurdischen Stadt Van, in der wir ganz im Osten ankamen, fiel die starke militärische Präsenz auf: martialische panzerartige Fahrzeuge, viele betonierte Kontrollposten, wie Hochsicherheits-Gefängnisse mit Schießscharten an den Ausfallstraßen, und ausführliche Kontrollen im Bus. Da spürt man – hier soll eingeschüchtert und Macht demonstriert werden, auch wenn es natürlich immer mit Terrorismus-Abwehr begründet wird.
7) Die ganze Türkei ist vollgehangen mit Türkei-Fahnen. Ich finde die einzelne Fahne wirklich schön, in dieser Masse und allgegenwärtigen Demonstration löst sie bei mir auch eine gewisse Nationalismus-Allergie aus.
8) Der Restaurant Besitzer: „Nein, Fußball mag ich nicht. Ich liebe Tayep Erdogan. Der ist so direkt und klar. Wir brauchen doch keinen Terrorismus, oder? Und was da in Israel passiert: Da werden Kinder und Frauen getötet – das ist doch schrecklich. Erdogan spricht das deutlich und konsequent an und tut dann auch was.“
9) Wir wollen uns im Internet über dies und das informieren. Die weltweite die ganze Enzyklopädie „Wikipedia“ gibt es in der Türkei nicht. Diese Quelle ist gesperrt.