Maribor – Tag 27 – Kilometer 1790
Wir starten diesen Tag 27 unserer Radltour in Maribor. Seit wir von Kroatien her die slowenische Grenze überschritten haben, fühlen wir uns mehr und mehr daheim. Von der Sprache verstehen wir immer noch kein Wort, aber es häufen sich die kleinen, vertrauten Dinge. Hier in der Studentenstadt Maribor bedeutet das: Fahrradständer vor Geschäften! Überhaupt Fahrräder als Normalität im Stadtbild, Fahrradwege, die deutlich markiert und ausgeschildert sind und nicht mehr über kniehohe Bordsteinkanten führen. Wir verlassen Maribor wie immer ziemlich früh am Morgen und fahren durch das Drautal, das aber hier auch das Dreisamtal sein könnte – so sehr erinnert die Landschaft an den Schwarzwald: steile Hänge, Wald und Weiden wechseln sich ab, die Häuser allesamt gepflegt und frisch renoviert; in den Gärten der Rasen akkurat gemäht. Nach ca. 30 Kilometern legen wir wie immer eine Pause für das zweite Frühstück ein. Neu dabei: Hier gibt es in jedem Dorf Bäckereien, die Croissants (sogar Schoko-Croissants!) Im Angebot haben, als wäre es das Normalste der Welt!
Bestens gestärkt geht es weiter auf dem ganz großartig geführten Radweg über allerkleinste, praktisch verkehrsfreie, aber trotzdem bestens asphaltierte Sträßchen und Radwege mit reichlich Auf und Ab. Am Ende des Tages zeigt der Höhenmesser 1700 Meter Aufstieg an. Mal überqueren wir die Drau auf kleinen Brücken oder Staumauern, mal sehen wir sie von hoch oben glitzern.
Alles wirkt vertraut: die Landschaft, die Vegetation, die Gerüche, die Dörfer mit ihren gepflegten Spiel- und Fußballplätzen. Sogar die Währung: In Slowenien zahlen wir wieder in Euro! Zum ersten Mal seit neun Monaten kein Umrechnen mehr, an der Supermarktkasse routiniertes Hantieren mit vertrauten Scheinen und Münzen. Da kommt man sich gleich unglaublich souverän vor. Und auch das Wetter verhält sich so, wie wir es aus unseren Breiten kennen: es ist bewölkt, ab und zu fallen ein paar Tropfen – nach über drei Wochen Sonne und Hitze, fast eine Wohltat.
Am Nachmittag dann die Grenze zu Österreich, die – gelobt sei die Europäische Union! – trotz allem nur aus einem Schild und einer verlassenen Grenzanlage besteht. Gleich dahinter der nächste Heimatschock: Gartenzwerge! Erdbeeren zum Selberpflücken!! Apfelschorle!!! Und ein breites Grüß Gott als wir auf dem Campingplatz einrollen. Überhaupt ein Campingplatz: der erste auf der gesamten Radltour.
Und so wird diese Reise ganz allmählich zu einer ganz normalen Urlaubsfahrt im benachbarten Ausland. Wir werden noch ein paar Tage an den Kärntner Seen bleiben, dann wollen die Alpen überquert werden, dahinter treffen wir meine Eltern und besuchen Freunde im Allgäu und dann, ja dann sind wir wirklich daheim.
Die Vorstellung, dass wir seit Dubai auf dem Landweg und seit Istanbul auf dem Fahrrad unterwegs sind, fasziniert uns selbst immer wieder – und wie fließend und scheinbar unmerklich das gänzlich Fremde zum völlig Vertrauten geworden ist.