Durchs wilde Kurdistan oder: Bier holen im Irak

Durchs wilde Kurdistan oder: Bier holen im Irak

Die Dämmerung setzt ein, wir überholen einen Transporter mit Maultieren und dann noch einen und dann viele. Am Pass, wo der Schnee beginnt werden die Pferde von den Wägen gelassen, für den Lastentransport gesattelt und schnell einen Pfad entlang getrieben. In der Ferne sehen wir große Maultier-Karawanen, die sich langsam auf das Geröllfeld und die steilen Felsen unter den schneebedeckten Gipfeln zubewegen. Der Taxifahrer erklärt uns, die Karawanen ziehen während der Nacht über diese hohe Bergkette und kommen morgen Abend wieder. Beladen mit Zigaretten und Bier – Alkohol ist im Iran komplett verboten –  aber auch mit Kleidern und allen möglichen anderen Dingen. Hinter dem Berg ist der Irak. Und direkt neben unserer Haltebucht, aus der wir das Treiben beobachten ist eine Polizei-Station.

Am nächsten Tag machen wir eine lange Tages-Wanderung, durch das Tal. Wir durchstreifen terrassierte Wiesen mit dunkelrot strahlendem Mohn, große Walnuss-Gärten, in Naturstein eingefasste Felder mit frischen Gebirgsbächen und fühlen uns in biblischer Kulisse. Die Sonne scheint, die Luft ist frisch und warm, das junge Grün strahlt frühlingshell. Und dann kreuzen mehrmals Schildkröten unseren Weg, um uns endgültig klar zu machen, dass wir hier in einer zeitlosen Landschaft wandern.
In einem der an die Hänge geschmiegten Dörfer, alles aus hellem, ockerfarbenem Kalkstein, winkt uns eine Frau in ihr Haus und lädt uns zum Mittagessen ein. Mit zwei ihrer drei Söhne versuchen wir zu kommunizieren, aber sie sprechen weniger Englisch als wir Kurdisch, und wir können kein Wort…
Richtig schwierig wird es, da auch Gestik und Zeichensprache nicht nach internationaler Norm festgelegt wurden. Zeigen wir mit den Händen „Danke, nicht ganz so viel Trinkjoghurt“, wird er uns komplett weggenommen und zurückgeschüttet, und was bedeuten die für uns so unspezifischen Gesten, die sie immer machen???
Was wir zu verstehen glauben: Vater und großer Sohn sind Schmuggler, der Sohn zeigt uns ein langes breites Band, wir interpretieren es als eine Art Tragegurt. Dies bestätigt sich ein paar Stunden später. Wir sind am späten Nachmittag am oberen Talkessel angelangt, da wo gestern die Maultier-Trecks in die Berge verschwanden. Und nun sehen wir Ameisenstraßen das Geröllfeld herabsteigen. Wir warten, und irgendwann werden aus den Ameisen Männer mit großen Lastenkisten auf dem Rücken, mit den besagten Tragebändern über die Schultern gebunden. Sie ziehen schnell an uns vorbei, sind gleich an der erlösenden Straße, an der sie ihre schwere Last loswerden und direkt ihren Trägerlohn in die Hand gedrückt bekommen. Nur einer hält bei uns an, will ein Selfie mit uns machen und erklärt: „Das sind ca. 35kg, ich transportiere nur Zigaretten. Oben ist es gefährlich, steile Felsen, Eis und Schnee und immer wieder Polizei, der wir ausweichen müssen. Hier unten die Polizei-Station? Die bekommen Geld… Die meisten Träger sind Männer aus den Dörfern hier aus dem Tal, aber ich studiere in der Stadt und finanziere so mein Studium. Ich bekomme 30$ für einen Gang, wir sind fast 12 Stunden unterwegs. Viel ist es nicht, da ein Sack Reis auch schon 30$ kostet. Jetzt müssen wir schnell weg hier.“ Und alles löst sich flott im Nichts auf…

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