Begegnung: Khalil
Gut, dann ändern wir den Plan. Ich fahre euch zwei Tage durch die Wüste, in Garmeh war ich auch noch nie. Ich ruf meinen Onkel Rehza an, und sag ihm, dass wir einen Tag später in sein Guest-House kommen, das ist wirklich kein Problem. Meine morgige Taxi-Fahrt für einen Franzosen, das kann ein Freund übernehmen, der freut sich. Zwei Tage, alles in allem ca. 800 km, lasst mich rechnen … das kostet 100 $. Da ist dann mein Essen und meine Übernachtung auch mit drin.
Ich habe bisher Mathematik und Betriebswirtschaft studiert, das aber gerade abgebrochen. Jetzt studiere ich Englisch und Tourismus, da sehe ich mehr Zukunftschancen für mich. Mein Onkel Rehza hat in Varzaneh das erste Guest-House eröffent. Es wurde von den Trip-Advisor-Nutzern gerade als eines der besten Hostels im Iran 2018 ausgezeichnet, es hat glatte 5 Sterne. Er ist unheimlich klug mein Onkel, ist Geographie-Lehrer und Geologe, fährt aber auch für die Regierung auf internationale Kongresse. Gerade war er auch in Südamerika. Er hat das alte Haus in dem ihr morgen wohnt wieder auf traditionelle Art restauriert, und auch den Taubenturm in Varzaneh. Er unternimmt sehr viel, damit sich der Tourismus in Varzaneh entwickelt. Über ihn bekomme ich viele meiner Touren. Ich habe auch schon ein paar mal Diplomaten gefahren. Der Iran ist so ein tolles Land, er wäre ein Paradies, wenn wir eine andere Regierung hätten. Ich denke im Tourismus liegt die Zukunft, daher investiere und riskiere etwas dafür:
Das Auto hier habe ich mir gekauft. Die Marke heißt „Sapia“, es ist eine Renault, der im Iran eine veränderte Karosserie bekommt. Er hat 10.000$ gekostet und ist neu. In fünf Jahren will ich ihn abbezahlt haben. Deutsche Autos gibt es hier nur sehr wenig, die sind leider zu teuer.
Meine Eltern sind sehr unterschiedlich. Mein Vater hat sechs Brüder, die sind fast alle sehr liberal. Mein Vater hat mich immer darin bestärkt selber herauszufinden, was gut für mich ist und mir nicht gesagt, was ich tun soll. Er ist überhaupt nicht religiös. Meine Mutter hat sechs Schwestern, sie sind eine sehr religiöse Familie. Ja, das gibt schon auch Probleme zwischen ihnen. [Später lernen wir den Vater kennen, der recht abfällig sagt, er und seine Frau sind getrennt – sie scheinen aber trotzdem zusammen zu leben]. Meine Eltern kannten sich nicht bis sie geheiratet haben, sie wurden von den Eltern füreinander ausgesucht.
Meine Mutter knüpft Teppiche, wie fast alle Mädchen und Frauen in Varzaneh. Sie knüpft jeden Tag 7-8 Stunden, außer Freitag. Für einen Teppich braucht sie je nach Größe bis zu 3-4 Jahren. Der kostet dann ein paar Tausend Dollar.
Mein Vater war Landwirt. Jetzt hat aber die Regierung einen Großteil des Wassers umgeleitet für Minen und andere Industrien, so dass er die Felder nicht mehr bewirtschaften kann. … Doch, dagegen gibt es sehr große Proteste. Hier ich habe ein Video auf meinem Handy [man sieht viele Tausend Landwirte und Traktoren, später ein Großaufgebot an Polizei], das von der BBC gesendet wurde. In den hiesigen Medien wird das nicht gezeigt.
Wow, schaut mal, ist die Wüste nicht großartig? Das ist so unglaublich schön hier.
Mazyeh (unser Gastgeber in Garmeh) ist eine Berühmtheit hier in der Gegend. Ich bin ganz begeistert von ihm. Als er gestern Abend das Instrument [Didgeridoo] gespielt hat, das war so etwas Besonderes. Ich konnte gar nicht den Blick von ihm wenden. Die Art wie er lebt und sich kleidet, das ist ein ganz eigener Stil. Er folgt niemandem andern. Er kennt auch die alle Pflanzen die hier im Gebirge wachsen.
Es ist toll, dass wir ihn und die Oase hier zusammen besucht haben!
Hier gibt es viele Heilpflanzen. Ich lerne jeden Tag die Eigenschaft einer Pflanze. Welche Wirkung sie hat und ob sie „heiß“ oder „kalt“ ist. Das ist wirklich sehr wichtig. Viele innere Krankheiten haben damit zu tun, ob der Körper zu heiß oder zu kalt ist. Durch richtige Ernährung kann man das vermeiden. Jedes Lebensmittel ist „heiß“ oder „kalt“. Das muss man lernen.
Die Wassermelone hier ist „kalt“, deswegen isst man die so gerne an heißen Tagen. …
Nein, ein Freundin habe ich nicht. Ich bin verliebt in ein Mädchen, aber ich weiß nicht, wie ich sie ansprechen soll. Es ist sehr sehr schwer Mädchen kennenzulernen, ich bin schüchtern und weiß nicht, wie das geht. Unsere kleine Stadt Varzaneh ist sehr konservativ. Alle Mädchen und Frauen tragen hier diese Zelte. Wir Jungen konnten früher auf der Straße spielen oder waren draußen zum Fußball spielen. Die Mädchen nicht. Sie sind hier nur in den Häusern. Wenn du ein Mädchen heiraten willst, dann werden dir Fotos gezeigt. Wenn man sich dann für eine entscheidet, dann kann man ein wenig Zeit mit dem Mädchen verbringen, aber niemals alleine, immer mit anderen Familienmitgliedern. In Isfahan, wo ich studiere, da ist das anders. Da gibt es schon die Möglichkeit, sich auch mal so mit einem Mädchen zu treffen. Es darf dich aber niemand aus dem Dorf sehen, das gäbe dann sehr große Probleme.