Wir spielen das Live-Event „Bezahlen im Iran“ auf drei Leveln:
Level 1: Kein Geldabheben im Iran möglich
Unsere Kreditkarten kann man hier zum Öffnen von Türen nutzen, sonst für eigentlich nix. In ein paar wenigen guten Hotels kann man wohl damit bezahlen, aber an Bargeld ist damit nicht zu kommen. Das heißt, man muss Bares für die ganze Reise mit sich führen, und vor allem vorher mal kalkulieren, was man wohl so benötigen wird für 30 Tage … Wir kamen irgendwann auf großzügig gerechnete 100€ am Tag für uns beide, alles inklusive.
In Lima, unserer letzten Station vor dem Weltenwechsel konnten wir leider immer nur 100$ pro Tag und Karte abheben. Auch Nicht-Mathematikern wird durch einen leichten Überschlag schnell unsere Herausforderung klar …
Die Lösung liegt bei den Freunden in Torotno, die uns beim Zwischenstopp mit frischen 4000$ versorgen. Noch nie hatten wir so viel Bargeld in der Hand und in sämtlichen Ritzen unserer Rucksäcke verstaut.
Level 2: Zwei Währungen, zu viele Nullen und schwankende Kurse
Die offizielle Währung heißt Rial. Beim Einreisen wechseln wir 1 USD zu 52.000 IRA (Iranische Riales). Wir wechseln 300 $, das sind dann 15.600.000 IRA, oder in EURO … egal. Dann gibt es die tatsächlich verwendete Währung Toman, das ist einfach eine Null weniger, also ist Ein Dollar ungefähr 5000 Toman wert. Das kann man gut rechnen … Aber das sind immer nur die verbal genannten Preise, ausgezeichnet sind die Produkte in Rial. Das Problem dabei?
Taxifahrer: „die Fahrt kostet 8.000“
Wir: „Rial oder Toman?“
Taxi: „Toman“
Wir: … äh, wie viel ist das dann? Tausender Nullen wegstreichen, mal 2 nehmen und noch mal durch 10 teilen … müssten 1,60$ sein, oder? Klingt plausibel. Geben ihm einen 10.000 er Schein.
Taxi: schaut und schüttelt den Kopf. Zeigt auf unseren Millionärs-Geldbeutel und zieht einen 100.000 er Schein raus… ach so, ja klar, sind ja Rial-Scheine …
So geht das dauernd, auch nach drei Wochen haben wir noch keinen wirklich selbstverständlichen Umgang mit den vielen Nullen gefunden. Aber alle sind sehr verständig, kommen selber nicht immer klar mit 1000, 10000, 100000, 1000000 …. Und bei jedem Bezahlvorgang wird uns viel Zeit gegeben, zum Nachdenken, Nachrechnen, Scheine beschnuppern. Stress wird vermieden, wir hatten nicht ein einziges mal das Gefühl, dass jemand Profit aus diesen Schwierigkeiten schlagen will.
Wir haben dieses Level nun einigermaßen gemeistert und kommen damit zur schwierigsten Aufgabe…
Level 3: Geld ausgeben in Kurdistan
Schon im restlichen Iran ist es uns begegnet, dass die Verkäufer beim Bezahlen abwinken und deutlich machen, dass sie kein Geld wollen. Beim dritten Versuch dann akzeptieren sie das Geld. Das Prinzip des Taruf, mit der Haltung, dass die angebotene Gastfreundschaft über allem anderen steht.
Hier in Kurdistan ist das nicht nur ein Spiel, um dem Gast das Gefühl zu geben, dass er wirklich als Freund willkommen ist. Hier wird ernst gemacht:
Ich bin beim Friseur. Nach dem lustigen Schneiden (ich ohne jede Persisch- oder Kurdischkenntnisse, der Friseur mit ebenso wenig Englisch) versuche ich den Preis in Erfahrung zu bringen. Nix. Stattdessen Foto-Orgien mit ihm und mir und anderen Gästen. Mein Versuch irgendeinen mir angemessen erscheinenden Betrag irgendwo im Barber-Shop zu hinterlegen wird von mehreren starken Männerarmen immer wieder zunichte gemacht. Ich muss mich geschlagen geben.
Wir sind im Cafe. Wir erfahren keinen Preis, bekommen nur vermittelt, wenn wir jetzt zahlen verletzen wir sehr die Gastgeber-Ehre des Cafe-Besitzers. Jeder von uns auf den Tresen gelegte Schein, wird uns freudlich, aber entschieden sofort wieder zurück in die Tasche gesteckt. Erst unsere Erpressung, dass wir am nächsten Tag nur wieder kommen, wenn wir zahlen dürfen wirkt.
Langsam legen wir uns Strategien und eine gewisse Härte zurecht, um die Computer-Nutzung im Internet-Cafe, den Tee zwischendurch, das Abendessen im Restaurant, die Taxi-Fahrt auch zahlen zu dürfen. Und das ist hier wirklich keine literarisch legitimierte Übertreibung, das sind ganz reale Erfahrungen der letzten Tage. Und wir waren auch nicht immer erfolgreich, dabei. In Isfahan (das war nicht mal die potenzierte kurdische Gastfreundschaft, einfach nur die persisch feine Freundlichkeit), wurden wir an einem Abend gleich dreimal von der gleichen Person eingeladen, und hatten jedes Mal keine Chance an’s Bezahlen zu kommen. Daraus haben wir gelernt.
Anders als in vielen anderen Orten der Welt, wo man den realen Preis wissen will, um nicht über’s Ohr gehauen zu werden, erfragen wir nun die Preise bei anderen Personen, bevor wir eine Dienstleistung in Anspruch nehmen, um den entsprechenden Betrag auch irgendwie loswerden zu können.
Wir sind mit Sonia unterwegs. Geschult und raffiniert wie wir inzwischen sind, schaffen wir es diesmal für uns drei zu zahlen. Es ist ihr sehr peinlich vor der Bedienung „was sollen die Leute denken, wenn ich mich hier von Gästen einladen lasse, das geht doch nicht“. Man spürt richtig ihren Schmerz dabei. Das ist kein Kokettieren, das ist wirklich die Verletzung des tief verinnerlichten Prinzips der Gastfreundschaft. Da könnten wir schon fast wieder weich werden … Aber auch wir haben gelernt und gehen inzwischen knallhart vor. Sonst könnten wir in diesem Land mit dieser so unglaublichen Gastfreundschaft, die uns auch täglich mehrere Einladungen zum häuslichen Mittag- oder Abendessen beschert, gar keinen Cent mehr ausgeben.