Begegnungen: Elcira

Begegnungen: Elcira

Hallo Ihr Wanderer, kommt doch ein bisschen auf meine Veranda und ruht Euch aus. Hinterm Haus könnt Ihr Euch auch frisch machen und Eure Schuhe abspülen, die sind ja voll Schlamm. Ihr kommt wohl von der Laguna runter? Oh ja, der Weg ist sehr schlecht. Früher, in den 80er und 90er Jahren war das ein wichtiger Weg, der gut instand gehalten wurde. Nicht so matschig und zugewachsen wie jetzt. Früher sind hier jeden Tag Leute vorbei gezogen, die das Vieh von der Hochebene heruntergebracht haben, weil es hier das ganze Jahr über grüne Weiden gibt. Wenn das Vieh sich dann gut was angefressen hat, haben sie es wieder hochgebracht. Da oben auf 3500m gibt es ja einige Indigena-Dörfer, die leben davon. Aber seit die Straße über den anderen Pass gebaut wurde, wird das Vieh eher mit dem Lastwagen transportiert.

Danach hat die Guerrilla den Weg noch viel benutzt. Die haben sich ab und zu die Jungs geschnappt, die in den Dörfern herumlungern und Alkohol trinken, haben die mit hoch genommen, dann mussten die den ganzen Tag den Weg freischlagen und befestigen, und abends um neun wurden die wieder zu Hause abgeliefert. Jetzt ist die Guerrilla hier ja nicht mehr aktiv, die laufen nicht mehr mit Militär-Uniform und Gewehr herum; aber die Comandantes von früher haben im Dorf immer noch das Sagen. Die achten zum Beispiel darauf, dass nur Sonntags getrunken wird. Sonntags können die Männer von morgens bis abends Bier trinken, aber an allen anderen Tagen wird gearbeitet. Wer unter der Woche trinkt bekommt Probleme mit denen von der Guerrilla.

Außerdem war der Weg zur Lagune früher ein Schmugglerweg. Meine Brüder und mein Mann haben alle getrocknete Coca-Blätter geschmuggelt, da hat man gut verdient.  Aus den getrockneten Coca-Blättern wird das Mambé gemacht, das kauen hier alle, v.a. die Indígenas; es hilft gegen Hunger und Kälte. Das hat Tradition, das war auch nicht illegal – oder nur ein bisschen. Nicht so wie das weiße Pulver, das Kokain. Als das mit dem Kokain losging, wurde es richtig gefährlich, da gab es auch Tote. Da habe ich zu meinem Mann gesagt: „Du hast Frau und Kinder, da machst Du nicht mit.“ Aber das ist jetzt auch vorbei; jetzt kommen nur noch ab und zu mal ein paar Wanderer vorbei, die zur Laguna hochwollen, und natürlich die paar Leute, die ganz hinten im Tal wohnen und mit ihren Pferden zum Einkaufen ins Dorf kommen.

Auf jeden Fall muss man an der Laguna immer vorsichtig sein, denn die Laguna ist sehr empfindlich. Sie mag es nicht, wenn die Menschen keinen Respekt zeigen, dann schickt sie Nebel, so dicht, dass man die Hand vor Augen nicht mehr sehen kann. Da haben sich schon viele verirrt. Deshalb muss man immer leise sein da oben und der Laguna Respekt zeigen.

There are 2 comments for this article
  1. Pingback: Bis an die Grenzen – Zur Quelle des Rio Magdalena – Mit 80 Fragen um die Welt
  2. Renate Oswald at 11:48 am

    diese freundliche Frau Elcira – fast wie der deutsche Name Elvira- habt ihr nach eurer Riesenstrapaze kennen gelernt, diese Begegnung mit ihr war dann ein positiver Abschluß nach diesem gefährlichen abenteuerlichen Ausflug. Gottseidank ist dieser am Ende noch gut für euch ausgegangen. Maman

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