80 Fragen, Antworten

Welche Faktoren, Bedingungen, Einstellungen… machen das Reisen zu einem guten, gelingenden Reisen? (Tanja)

Ein Zwischenfazit von Stefanie:

Jetzt sind wir (mit einer Unterbrechung) schon eine Weile unterwegs; genauer: ich seit Anfang Oktober, Simon ist dann Ende Oktober dazugestoßen. Nach meinem Auftakt in Nordamerika waren wir gemeinsam in Kuba und Kolumbien. Inzwischen sind wir in Ecuador, wo wir uns für zwei bis drei Wochen in der Hauptstadt Quito häuslich eingerichtet haben. Zeit für eine Zwischenbilanz!

Ich halte mich nicht lange mit einer Definition von „gelingendem Reisen“ auf. Unsere Reise finde ich bisher spannend und bereichernd, ich fühle mich wohl dabei und bin hoch-zufrieden. Welche Faktoren sind nun dafür verantwortlich?

1. Der richtige Reisegefährte (oder die richtige Reisegefährtin)

Allein reisen ist nicht mein Ding. Ich will die Erlebnisse und Eindrücke teilen und das kann ich mit niemandem besser als mit Simon, meinem perfekten Nicht-Nur-Reisegefährten: Angefangen von der Tatsache, dass wir beide Frühaufsteher sind und morgens den größten Tatendrang entwickeln, haben wir auch einen ganz ähnlichen Rythmus aus Unternehmungslust und Ruhebedürfnis. Wir können uns gemeinsam für die verschiedensten Themen begeistern, sei es die Quelle des Magdalena-Flusses zu finden oder die soziale Entwicklung der Problemviertel in Medellín. Wir können zusammen die passende Romane dazu (vor-)lesen (derzeit 100 Jahre Einsamkeit – großartig!). Simon bringt außerdem noch einen Haufen anderer Interessen ein (Fotografie, Astronomie, Vögel, Bergsteigerei), die ich allermeistens bereichernd und horizonterweiternd (und nur ganz manchmal nervig) finde. Zusammen muten wir uns auch manchmal ziemliche Strapazen zu, insbesondere in Form von Berg- und sonstigen Wandertouren. Und wenn mir dann irgendwann die Kräfte schwinden ist Simon der geduldigste, liebevollste und fürsorglichste Mensch der Welt, der meine nassen Klamotten trocknet, meinen Rucksack trägt, meinen schmerzenden Fuß verbindet, mir das Vesperbrot richtet und mich zum Trinken nötigt und meine gelegentlichen Schimpftiraden erträgt – wohl wissend, dass ich nach kurzer Erholungsphase wieder normal und gänzlich zufrieden mit der jeweiligen Tour bin.

2. Das richtige Reisetempo

Obwohl wir zwei Monate in Kolumbien waren, haben wir nicht ansatzweise alles Sehenswerte gesehen und sind nur einem Bruchteil der unzähligen Tips gefolgt, die uns am Wegesrand so zugetragen wurden. Wir versuchen, uns eher treiben zu lassen als treiben zu lassen. Nicht die vielen Must-Sees and Must-Dos sollen das Reisetempo bestimmen, sondern das subjektive Gefühl, diesen Ort jetzt ausreichend erkundet zu haben und reif zu sein für neue Eindrücke. Das ist schwer und gelingt bei Weitem nicht immer und muss auch unter uns imer wieder neu ausgehandelt werden. Es hilft dabei die Erkenntnis, dass man ohnehin nie ALLES sehen wird – und dass sich die Qualität der Erlebnisse eher umgekehrt porportional zu deren Quantität verhält. Jedenfalls hat es sich bewährt, dass wir immer mal wieder eine Pause in völlig unspektakulären, aber angenehmen Orten einlegen, wo wir ein paar Tage verweilen, zur Ruhe kommen und versuchen, unsere Eindrücke zu verarbeiten und dokumentieren.

3. Verarbeiten und dokumentieren

Eigentlich sollte dieser Blog vor allem dazu dienen, unsere Lieben daheim an unserer Reise teilhaben zu lassen. Mit der Zeit haben wir aber festgestellt, dass eine andere Funktion mindestens genauso wichtig für uns ist: Der Blog ist unser Reisetagebuch. Hier halten wir unsere Erlebnisse und Eindrücke in Wort und Bild fest. Durch das Schreiben der Texte und bei der Auswahl der Bilder durchleben wir die Dinge nochmal, haben Gelegenheit zu reflektieren und über verschiedene Sichtweisen zu diskutieren. Dass die Texte auch für Dritte verständlich sein sollen, zwingt uns zu präzisen und umfassenden Beschreibungen – und jedesmal, wenn so ein Text mit passenden Bilder zusammengestellt ist, empfinden wir eine gewisse Genugtuung in der Art „OK, das ist an einem sicheren Ort abgelegt und geht nicht mehr verloren.“ Das gibt uns das beruhigende Gefühl, den vielen Erlebnissen besser „gerecht“ zu werden und macht es leichter und befriedigender, sich neuen Eindrücken zuzuwenden.

4. Die Landessprache sprechen

Ganz anders als ursprünglich geplant waren wir bisher fast nur im spanischsprachigen Raum unterwegs. Das wenig überraschende Zwischenfazit: Es ist schon unglaublich toll, der Landessprache mächtig zu sein. Dabei sind die organisatorischen Aspekte das Geringste. Jeder weiß aus irgendwelchen Urlauben in Italien, Kroatien oder sonstwo, dass man immer irgendwie durchkommt. Wir haben hier Menschen getroffen, die seit zwei Jahren mit dem Wohnmobil durch Südamerika reisen – mit 40 Wörtern Spanisch. Keine Frage – das geht! Aber es ermöglicht doch ein ganz anderes Eintauchen in ein Land, eine Kultur, eine Region, wenn man mit den Menschen REDEN kann. Das fängt schon damit an, dass sich praktisch alle Leute freuen – fast schon geschmeichelt fühlen, -dass wir Spanisch können. Sie begegnen uns freundlicher, offener und interessierter; es fließen jede Menge interessante und hilfreiche Informationen und natürlich ermöglicht es intensive Gespräche, herzliche  Kontakte, schöne Begegnungen. 

Mal sehen, wie wir diesen Faktor bewerten, wenn wir in Regionen vordringen, deren Sprache wir nicht mächtig sind….

5. Last but nor least

– Gesundheit (die eigene und die der Lieben daheim),

– Geschwister und Freunde, die sich zuverlässig um unsere Angelegenheiten daheim kümmern;

-(halb-) erwachsene Kinder, die selbständig sind und uns keine Sorgen machen

– das nötige Kleingeld, um sich ab und zu einen kleinen Luxus zu gönnen, wie z.B. eine Unterkuft mit Pool in heißen Regionen und eine mit Warmwasser in kalten.