80 Fragen, Antworten

Was erzählen Euch die Menschen, wenn Sie hören, dass Ihr aus Deutschland kommt? (Avi)

Also was verbinden sie mit Deutschland, ohne explizit danach gefragt zu werden? Womit werdet Ihr konfrontiert?

Gerade hat uns der Barista in Tabriz eine kleine Deutschland-Schoko-Deko kreiert … Anlass für den Versuch einer Antwort:

  1. In Südamerika

Bei einer Stadtführung in Bogota fragt die junge Führerin in der „Kennlernrunde“ die Gruppe (ca. 15 Personen aller Kontinente) „und was sind eure ersten Assoziationen, wenn ihr ‚Deutschland‘ hört?“ –
niemand sagt was … sie selber „Berliner Mauer zum Beispiel“ … warten … nochmal sie selber „oder Bier“, darauf ein Australier: „Oktoberfest“ – und das war’s dann auch.

Auf Kuba beweist ausnahmslos jeder junge Mann, der hört das wir aus Deutschland sind, seine Sprachfähigkeit durch ein herzliches: „Alles klar?“

Ein Taxifahrer in Kolumbien: „Deutschland ist super!“ „Warum?“ „Ihr habt bei der letzten WM gegen Brasilien 7:1 gewonnen. Da haben sich alle Kolumbianer riesig gefreut, weil Brasilien vorher im Viertelfinale Kolumbien ungerecht rausgeworfen hat.“

Ein nord-amerikanischer Ornithologe: „Ich war wegen der Vögel schon an den entlegensten Orten der Welt. Und immer sind da auch Deutsche. Und immer könnt ihr dann sogar die Landessprache. […] Ihr habt inzwischen genug vom Krieg. Das ist gut. Wir in den USA leider nicht.“

Bernardo, Gästehausbesitzer: „Mein Vater hat mir immer gesagt, ‚Geräte aus Deutschland sind die besten. Die sind stabil und halten ewig. Wenn es geht kauf dir deutsche Produkte‘. Das hat er wirklich oft gesagt und es war ihm sehr wichtig.“

Ein Hotelbesitzer: „Aus Deutschland seid ihr? Wo ist eigentlich Hitlers Grab? Kann man das besuchen? Gibt es ein Hitler-Museum? … Warum nicht? Der war doch sehr wichtig für Deutschland“

Ganz viele Menschen in Variationen:
„Meine Cousine / Schwester / Nichte … wohnt auch in Deutschland und ist dort mit einem Deutschen verheiratet.“
„Deutsche Autos sind toll. Aber so teuer. Die kann sich hier niemand leisten.“
„Bayern München“,  „Borussia Dortmund“, „Deutscher Fußball“

  1. Im Iran

Während in Südamerika unsere Herkunft bei den meisten Menschen keine besondere Reaktion hervorgerufen hat, ist die Erwähnung von „Almania – Germany“ im Iran fast ein Garant für ganz besondere Aufmerksamkeit. Fast durchweg hören wir: „Germany, good Country, very very, very good, …, i love Germany“. Dabei begegnen uns viele Aspekte:

– wie schon oben erwähnt, erfahren auch hier deutsche Autos und allgemein deutsche Technik besondere Hochachtung
– mehrmals wird der Name „Jürgen Klinsmann“ genannt, der einen unserer Begegnungen gar zum Fußball-Fan machte (siehe hier)
– viele IranerInnen bewundern unseren Wohlstand und die Freiheit in der wir leben und das führt dazu:
– ganz viele Iraner wollen sooooo gerne nach Deutschland, daher:
– einige junge IranerInnen lernen neben Schule/Studium Deutsch, um die Chancen auf ein Visum zu erhöhen oder in Deutschland studieren zu können
– einige sind ein wenig enttäuscht, da die Hürden und Kosten für ein Aufenthalt in Deutschland so hoch sind und das Verfahren doch recht erniedrigend sein muss
– mehrmals hören wir, wie toll Angela Merkel ist. Die Lobe reichen von „sehr gute Politikerin“, „die einzig Vernünftige in dieser Zeit“ bis hin zu „sehr schöne Frau“
– mehrmals wird Anerkennung ausgedrückt über die Aufnahme der syrischen Bürgerkriegs-Flüchtlinge (mit gleichzeitigem Ärger über das eigene System, das für das Flüchtlingsdrama mit verantwortlich ist, selber aber keine Flüchtlinge aufnimmt)
Aber die besondere Zuneigung der Perser zu Deutschland ist noch durch andere Aspekte geprägt, die wir auch zu hören bekommen:
– Die Perser sind „Arier“.  Das ist eine sprachgeschichtliche Kategorie, hängt mit der Verbreitung indo-iranischer Sprach- und Bevölkerungsgruppen zusammen und ist zu komplex für mich. Aber damit haben wir Deutschen, die sich eine Zeit lang ja auch „Arier“ bezeichneten, wenn auch mit einer ganz anderen Konotation, vielleicht in irgendeiner Form gemeinsame Vorfahren. Zumindest sagen das viele Iraner und fühlen sich uns somit ganz besonders verbunden, sprechen gelegentlich von unseren gemeinsamen Wurzeln.
– Diese mögliche Verbindung (die von anderen bestritten wird), hat bei zwei Begegnungen auch zu naiv anerkennenden Äußerungen über Hitler geführt („toller Organisator“). Unsere Erklärungen dazu und der Ärger über diese Sicht wurden freundlich bedacht, aber nicht weiter geteilt.
– Einzig eine negative Äußerung bekommen wir vom Künstler Morteza zu hören, der sagt, dass er in Deutschland nicht leben könnte, da dort alles viel zu eng und stressig ist. Um kreativ zu sein, braucht er eine Freiheit, die er sich in Deutschland nicht vorstellen kann.